Bezirksamt wirft NebelkerzenBürgerbegehren zur Bebauung des Berliner Spreeufers findet statt. Verwaltung warnt vor Millionenkosten Von Florian Osuch (junge welt, 19.06.2008) Am 13. Juli 2008 sind alle Wahlberechtigten des Berliner Bezirks Kreuzberg-Friedrichshain aufgerufen, in einem Bürgerbegehren für ein »Spreeufer für alle« zu stimmen. Die Unterlagen für 180000 Stimmberechtigte wurden in den letzten Tagen versandt. Es geht um die Gestaltung von 3,7 Kilometer Uferzone zwischen Elsen- und Jannowitzbrücke. Eine Investorengruppe plant unter dem Label »Mediaspree« die Bebauung der 180 Hektar großen Fläche.
Der »Initiativkreis Mediaspree versenken«, der das Bürgerbegehren vorangebracht hat, kritisiert, daß wenige Großinvestoren über die Zukunft eines dicht besiedelten Innenstadtgebietes entscheiden sollen. Geplant sind ein Dutzend Hochhäuser mit privatisiertem Uferblick, Büros, Lofts und Luxushotels. Teile der Fläche liegen derzeit brach oder wurden kulturellen Projekten überlassen.
Die Initiative hat einen Gegenvorschlag erarbeitet und im letzten Jahr mit 16000 Unterschriften weit mehr Unterstützer nachgewiesen, als für das Referendum auf Stadtbezirksebene notwendig sind. Der Entwurf sieht vor, daß bei Neubauten ein öffentlich zugänglicher Grünstreifen mit einem Mindestabstand von 50 Metern zur Spree erhalten bleibt. Zudem sollen die kleingewerbliche Nutzung und nichtkommerzielle kulturelle Aktivitäten unterstützt werden.
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens werfen dem Bezirksamt gezielte Falschinformation vor. Die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) warnt in den Wahlunterlagen vor drohenden Kosten in Höhe von 164,7 Millionen Euro, falls der Entwurf der Bürgerinitiative angenommen wird. Laut deren Vertreter Carsten Joost ist dies »an der Realität vorbeigerechnet«. Die Kalkulation beziehe sich auf den Ankauf aller Flächen entlang der Spree in einer Tiefe von 50 Metern, darunter auch Grundstücke, die bereits bebaut sind. In den letzten Jahren haben sich dort Konzerne wie Universal Music, der Sender MTV sowie die Gewerkschaft ver.di angesiedelt. Tatsächlich aber wird ein Rückkauf dieser Areale von niemandem gefordert. Joost hält die Angaben des Bezirksamtes für pure Angstmacherei: »Unser Anliegen soll mit Sozialkahlschlag in Zusammenhang gebracht werden. Wir wollen den Bezirk nicht ruinieren, sondern begonnene Diskussionen fortsetzen, um kostengünstige Lösungen zu verhandeln«, äußerte Joost gegenüber junge Welt. Der Initiativkreis läßt derzeit prüfen, ob dem Bezirk per einstweiliger Verfügung verboten werden kann, die falsche Kalkulation weiter zu verbreiten.
Neben dem Entwurf von »Mediaspree versenken« stellt die Bezirksverordnetenversammlung einen eigenen Vorschlag zur Abstimmung. Auf den ersten Blick liest dieser sich ganz ähnlich wie der der Bürgerinitiative: Auch das Parlament plädiert für einen öffentlichen 50-Meter-Uferstreifen. Der kleine Unterschied: Sobald irgendein Investor eine Entschädigung – etwa für bisherige Planungskosten – geltend macht, hat es sich mit dem »Spreeufer für alle« erledigt.
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