Kleiner LichtblickErfolg für Bürgerbegehren Von Rainer Balcerowiak (junge welt, 15.07.2008) Der erfolgreiche Bürgerentscheid gegen die geplante Bebauung der beiden Spreeufer im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist angesichts der Agonie, in der sich soziale Bewegungen in der Hauptstadt seit einiger Zeit befinden, ein kleiner Lichtblick. Den beiden Regierungsparteien SPD und Die Linke gelingt es trotz empfindlicher Stimmenverluste bei der vergangenen Abgeordnetenhauswahl immer besser, ihre antisoziale Politik weitgehend reibungslos durchzusetzen. Angesichts schwacher Gewerkschaften kann man es sich leisten, Streiks, wie beispielsweise im öffentlichen Dienst, einfach auszusitzen. Die Folgen der Privatisierungsorgien, wie z.B. exorbitant steigende Mieten in ehemals kommunalen Wohnungen oder förmlich explodierende Wasserpreise, sorgen nur vereinzelt für Unmut. Selbst der fortschreitende Verfall der sozialen Infrastruktur in sogenannten Problembezirken wie Neukölln oder Kreuzberg ruft höchsten ein wenig Betroffenheitsgedusel hervor, aber keinesfalls merklichen politischen Widerstand. Die WASG, die sich der Fusion mit der in Berlin neoliberal agierenden Linkspartei verweigerte und bei den Wahlen immerhin knapp drei Prozent der Stimmen und den Einzug in sieben Bezirksparlamente erreichte, ist in diverse Splittergruppen zerfallen.
Daß es angesichts solch deprimierender Rahmenbedingungen gelang, einem Projekt, welches einen noch einigermaßen intakten innerstädtischen Kiez mit hohem Freizeitwert zugunsten renditeorientierter Baulöwen zerschlagen soll, wenigstens etwas Sand ins Getriebe zu streuen, ist ein Erfolg, der vielleicht auch ein wenig Mut machen und Motivation schaffen kann. Beides wird nötig sein, denn SPD, Grüne und Die Linke begannen unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses des – rechtlich unverbindlichen – Bürgerentscheids zu versuchen, die Initiative »Mediaspree versenken« in Harmonieschleim zu ertränken. Man werde das Votum »ernstnehmen«, »Kompromißmöglichkeiten ausloten« und »umsetzen«, war am Montag zu hören. Allerdings stets mit der kleinen Einschränkung versehen, daß dies natürlich nichts kosten darf.
Genau das wird der Knackpunkt sein. Baurechtlich sind die Projekte am Spreeufer genehmigt, die Investoren könnten Schadenersatzforderungen im dreistelligen Millionenbreich geltend machen. Geld, welches der Bezirk nicht hat und der Senat nicht rausrücken wird, da er Berlin dank Mediaspree mal wieder «auf Augenhöhe mit anderen europäischen Metropolen konkurrieren» sieht. Mehr als ein paar kosmetische Änderungen an den Plänen für die Spreeuferbebauung mit Bürohäusern, Hotels samt einer neuen Autobrücke wird es also nicht geben. Die Entfremdung zwischen Regierung und Bevölkerung der Stadt könnte dies merklich vergrößern. Vielleicht eine gute Voraussetzung, um endlich breiteren Widerstand gegen diverse anstehende Senatspläne, wie z.B. Verschlechterungen bei der Wohnkostenübernahme von Hartz-IV-Empfängern, organisieren zu können.
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